Ist doch ein geiler Verein – reloaded

Autor Christoph Ruf bei einer PK

Autor Christoph Ruf bei einer Pressekonferenz. Foto: C. Ruf

Im Jahr 2008 erschien Christoph Rufs Buch »Ist doch ein geiler Verein – Reisen in die Fußballprovinz«. Goldstaub für alle, die den echten Fußball lieben. Der Lohn für des Autors Mühen: Der »geile Verein« wurde (verdientermaßen) Fußballbuch des Jahres 2008.

Mittlerweile sind zehn lange Jahre vergangen. Das Buch scheint aktueller denn je. Also höchste Zeit, sich noch einmal auf Spurensuche zu begeben. Gibt es Neues zu berichten? Wir sprachen mit Autor Christoph Ruf.

Kabine: Hallo Herr Ruf, vor zehn Jahren ist ihr Buch »Ist doch ein geiler Verein« erschienen. Das Buch ist heute genauso aktuell, wenn nicht sogar aktueller denn je. Eigentlich ist alles noch deutlich schlimmer geworden. Wie bewerten Sie das?

Christoph Ruf: Im Prinzip haben Sie recht. Die Dinge haben sich nicht zum Positiven entwickelt. Ich greife mal ein Beispiel heraus. Der Freiburger FC, ein Verbandsligist, der im Grunde kein Geld hat, muss an den DFB dann auch noch zehn Prozent der Ticketeinnahmen aus den Relegationsspielen abführen. Da wird der Falsche zur Kasse gebeten und leider müssen wir festhalten, dass die Schere zwischen oben und unten immer weiter auseinander geht.

Doch es gibt auch durchaus Positives. Aus den Kontakten, die sich bei der Produktion des Buches ergeben haben, sind auch Freundschaften entstanden, die bis heute erhalten geblieben sind. Und auch vom einen oder anderen Verein gibt es Gutes zu berichten. Erst neulich war ich wieder in Bayreuth. Die haben es geschafft, ein wunderbares Fußball-Museum einzurichten. Da geht dem echten Fußball-Fan das Herz auf

 

Bei Real Madrid ist mehr Tempo drin …

Kabine: Stellt sich die Frage, ob und wie die Amateurvereine überhaupt noch wahr genommen werden. Es ist doch traurig, diese Vereine machen doch die »Drecksarbeit«, in dem sie Kinder und Jugendliche an das Spiel heranführen. Nachdem die Proficlubs die hoffnungsvollen Talente abgeworben haben, gibt es für die Amateurvereine bestenfalls einen warmen Händedruck.

»Ist doch ein geiler Verein« Westfalia Herne

»Ist das ein geiler Verein« – Schloss Strünkede, Heimat von Westfalia Herne

Christoph Ruf: Ich habe mich neulich mit dem Präsidenten von Rot-Weiß Oberhausen unterhalten. Der hat mir eine schöne Geschichte erzählt, die eigentlich alles sagt: Ein Besucher hat ihm nach einem RWO-Spiel doch ernsthaft gesagt, bei Real Madrid wäre aber mehr Tempo drin. Das sagt eigentlich alles. Dass ein Vereinspräsident die Arbeit seines Clubs bei derartigen Aussagen nicht wertgeschätzt sieht, das bedarf keiner besonderen Erwähnung.

Kabine: Sowohl DFB, als auch der DFL scheint es mehr oder minder egal zu sein, was sich an der Basis tut. Auch die Einrichtung der Amateurseite »fussball.de« oder der Finaltag der Amateure sind in diesem Zusammenhang nur Peanuts. Oben wird das große Geld gescheffelt und unten heißt es dann, sieh zu, wie du überleben kannst. Das kann doch eigentlich auf Dauer nicht gut gehen.

Christoph Ruf: Der DFB-Vize Rainer Koch hat den Amateurvereinen den guten Rat gegeben, sich ihr Geld mit zunehmender Eventisierung zu beschaffen …

 

 

Geld durch Eventisierung …

Kabine: … der blanke Hohn …

Christoph Ruf: … ja, da kommen dann die Tim Wieses dieser Welt vorbei und stellen sich zur Schau. Für die Vereine kann auf dieser Basis leider nichts Nachhaltiges entstehen. Im Grunde ist die Sache so angelegt, dass auf Dauer nur noch die 1. und 2. Liga zählen. Schauen Sie sich die 3. Liga und die Regionalligen an. Da reicht es doch hinten und vorne nicht. Die Vereine sind quasi gezwungen, unverantwortlich ins Risiko zu gehen, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollen, jemals wieder hochzukommen. Also spielen viele »Alles oder nichts«.

»Ist doch ein geiler Verein« – SW Essen,

»Ist doch ein geiler Verein« – Stadion Uhlenkrug, SW Essen

Kabine: Da geben Sie ein gutes Stichwort. Chemnitz insolvent, Erfurt insolvent, aber anstatt die Vereine für Ihre Misswirtschaft zu bestrafen und in die 11. Liga zu schicken, gibt es Punktabzug und eine Liga tiefer geht es dann gerade so weiter. Das ist doch nicht in Ordnung.

Christoph Ruf: Ich nehme an, diese Klausel ist ein Entgegenkommen des DFB. Würden sie die Vereine wirklich ganz nach unten schicken, dann wäre die Basis noch bedeutend wütender als sie es jetzt schon ist. Bezeichnen wir das Ganze einfach mal als Rettungsschirm. Auf der anderen Seite fordert man den Vereinen ja auch ordentlich Leistung ab, indem sie ein Nachwuchsleistungszentrum führen müssen. Das kostet alles Geld. Genau wie ein Kader, der unter Profibedingungen arbeitet und verdient, aber eben nur einen lächerlichen Teil des Fernsehgeldes bekommt: 98 % landen in der ersten und zweiten  Liga.
Auf der anderen Seite steigt jetzt bei Regionalligist Viktoria Berlin ein asiatischer Investor ein, der in den nächsten Jahren 90 Mio investieren will. Da stellt sich auch die Frage, wie das zu werten ist. Hat Viktoria wirklich die Struktur, aus diesem Geld etwas Nachhaltiges entstehen zu lassen? Braucht Berlin so einen gehypten Verein? Diese Fragen wird uns die Zukunft beantworten.

 

 

Mehr dazu:

Ist doch ein geiler Verein – das Buch
Ist doch ein geiler Verein – das Original